Doz. Dr. med. Jaroslav Zvěřina, Abgeordneter des Europäischen Parlaments

Europäischer Verfassungsvertrag

Der Entwurf des Verfassungsvertrages der EU scheint heutzutage der wichtigste Uniontext zu sein. Die Bedeutung dieses Materials ist meiner Meinung nach sehr überschätzt. Es gilt sowohl für dessen begeisterte Anhänger, als auch für dessen nicht weniger begeisterte Gegner. Seit dem Anfang an war die Arbeit am Entwurf des Verfassungsvertrages mit vielen guten Absichten und grossen Erwartungen belastet. Die ursprüngliche Absicht der Vergeber von der "Europäischen Verfassung" war die Unionverträge zu vereinfachen. Die Europäische Union sollte damit vorbereitet werden auf das erweiterte Funktionieren. Es ist sehr fraglich, ob etwas von diesen Grundaufgaben überhaupt gelungen war.

Der Verfassungstext ist alles, nur nicht eine einfache und übersichtliche Zusammenfassung von geltenden internationalen Verträgen, durch die die EU gegründet wurde. Es handelt sich um einen langen, komplizierten und sofistizierten Text, mit vielen Ausnahmen und aufhebenden Bestimmungen begleitet. Ganz überflussig wurde dem Verfassungsvertrag eine gesprächige "Charte der fundamentalen EU-Rechte" angeschlossen, die irgendjemandem irgendetwas verspricht. Nie war man fähig uns zu erklären, warum es notwendig war, die Abstimmungsverhältnisse im Rat zu ändern, die schliesslich in Nice schon vereinbart wurden. Die Verfassung führt auch neue, nicht gerade billige Institutionen ein, vom Aussenministerium bis zum EU-Präsidenten.

Der komplizierte und schwer verständliche Verfassungstext ist natürlich Ergebnis eines Kompromisses. Bei der bekannten vereinbarenden Arbeitsweise des grundgesetztgebenden Konventes, der vom französischen Präsidenten geführt wurde, konnte das nicht einmal anders sein. Die Ähnlichkeit mit einem bekannten Märchen vom tschechischen Klassiker Karel Čapek, wie ein Hund mit einer Katze eine Torte backten, ist sicher nicht ganz zufällig. Gerade die Unübersichtlichkeit, neue Institutionen und "angepasste" Kompetenzen von neuen Mitgliedsländern können in der Zukunft Probleme verursachen. Ständige Beteuerungen von europäischen Föderalisten, diese Verfassung solle die EU vervollkommnen, ist mit keiner wirklichen Erfahrung untermauert. Es handelt sich eher um einen frommen Wunsch.

Für uns, neue EU-Mitglieder, ist der Zeitpunkt der Verfassungsratifikation selbst sehr unglücklich. Kaum hat die EU einen allgemein akzeptablen Kompromiss verhandelt und bevor mit diesem Kompromiss die geringsten Erfahrungen gemacht wurden, ehe waren die Spielregeln auf wesentliche Weise geändert worden. Neue Mitglieder sind also in der EU angekommen, die sich nach den geänderten und in solcher Zeit angenommennen Regeln richten soll, als diese Länder noch keine vollständigen Mitglieder waren. Wir sind solche Mitglieder übrigens noch nicht bis heute, weil für uns einige Übergangseinschränkungen gelten. In solcher Situation würde ich zumindest für rücksichtsvoll halten, wenn "alte" Mitglieder nicht so auf die Regelnänderung unseres Zusammenlebens gedrängt hätten. Viel weiser wäre es gewesen, einige Jahre die EU-Arbeit in der neuen, erweiterten Fassung zu beobachten und zu analysieren und dann gut überlegte und mit Fakten unterstützte Anpassungen von Verträgen und von der Arbeitsweise der Institutionen vorzuschlagen.

Die Volksabstimmung über den Verfassungsvertrag ist vor kurzem in Spanien verlaufen. Die meisten Abstimmenden haben den Text unterstützt, und zwar trotz der Vorbehalte, die dagegen die Opposition des ehemaligen Ministerpräsidenten Aznar hatte. Das Problem der spanischen Volksabstimmung war eine niedrige Wählerteilnahme. Weil zu den Wahlurnen fast 43 % der berechtigten Wähler gekommen sind, dann mehr als 70% von positiven Stimmen stellen nur ungefähres Drittel des ganzen Wählerpotenziales des Landes dar. Es ist also klar, dass der Verfassungstext hat die EU-Bürger nicht ganz angesprochen. Wir können vielleicht ganz kompetent erklären, dass diese Verfassung keinesfalls verbessert die gut bekannte Verfremdung der EU-Politik der Mitgliedsländer.

Wenn wir um einige Jahre zurück schauen, ist es unglaublich, wie viele Zeit die EU-Politiker mit unendlichen Debatten über den Verfassungsvertrag verbracht haben. Als ob die EU keine anderen und grösseren Probleme hätte. Wir absolvierten die Uneinheit im Verhältnis zum Kampf des amerikanischen Aliierten gegen den internationalen Terrorismus, wir selber kämpfen mit der Stagnation im Bereich der Wissenschaft sowie Bildung. Die EU ist nicht fähig, selbstständig praktisch keiner globalen Sicherheitsgefahr zu trotzen. Statt zu diesen Themen Konferenzen und Diskussionen zu veranstalten, haben wir den Konvent gewählt und liessen ihn solchen Verfassungstext zu konzipieren, der uns höchstwahrscheinlich nicht besser oder verständlicher macht. Er macht ganz sicher die EU nicht effizienter und wohlhabender. Statt mehr Freiheit führt die Verfassung einige problematische Pflichten ein, statt der Vereinfachung kompliziert sie und verwirrt die Arbeit der EU-Institutionen. Es ist vielleicht wahr, dass diese Verfassung zu akzeptieren wird keine Katastrofe bedeuten. Aber genügt solche Überlegung dazu, damit wir mit dem Text einverstanden sind ? Ich ahne, sicher nicht.

Die komplette Fassung des Entwurfes des EU-Verfassungsvertrages steht in tschechisch auf dem Internetportal des EU-Rechtes zur Verfügung :

http://europa.eu.int/eur-lex/lex



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